Page 10 - Pan Februar 2021
P. 10

fire, diese Art der Bistronomie ... ein eher modernes Konzept. Etwas mit offener Küche zu zeigen, ein bisschen mehr die gesunde Ernährung in den Vordergrund zu stellen. Auch vor dem Hintergrund, den ganzen Nerds dieses IT-Unterneh- mens etwas Gutes zu tun – quasi als Counterpart zu deren Arbeitsrealität. Das entspricht vollends meiner Idee von mo- derner Gastronomie.
Uns war klar, dass das im Schloss keine Bistronomie werden sollte und das wir auch nicht das Gleiche machen wollen, was vorher dort anzutreffen war. Ich habe da noch Patricks (gemeint ist Patrick Kruse, ebenfalls CEO netgo) erstes Wort im Ohr ... „Steakhouse“. Mir war zunächst nicht sehr wohl bei dem Gedanken. Ich habe den Gedanken sacken lassen und damit gespielt. In Berlin gibt es ein Kon- zept, was Steak & Sushi anbietet. Die Location war ebenfalls ein altes Gebäu- de, bei dem durch Neonlicht Gegensät- ze geschaffen wurden. Das war die erste gedankliche Skizze, mit der wir gespielt haben. Das Thema Sushi haben wir dann ausgeblendet und uns auf das gute Stück Fleisch konzentriert. Auch hierbei galt es wieder dem Gast eine andere, bessere Aufmerksamkeit zu widmen. Wie essen wir eigentlich? Welche Szenarien sind eigentlich am geselligsten? Und so haben wir das Teilen zum Thema gemacht. So entstanden dann die Beilagen- und Sau- cen-Arrangements, die wir in die Mitte der Gäste stellen.
Sprechen wir über deine Kern-Kompetenz. Du musst ja ständig auf Sendung sein, um ein Gespür dafür zu entwickeln, wie sich die Bedürfnisse der Gäste verändern, wie sich Trends entwickeln. Blenden wir die Zeit mit den fünf Buchstaben und den bei- den Zahlen (Covid-19) mal aus – wie hast du die Zukunft der Gastronomie bis zum März 2020 gesehen?
Ich habe irgendwann angefangen, dieses Wort „Trend“ zu hassen. Essen wird immer populärer – für alle. Jeder definiert sich über Essen. Instagram ist voll mit Foodporn und jeder gibt seine 5-Cent [Redewendung für „unbedeutende Meinung“] dazu ... auch zum Thema gastronomische Trends.
Ich war Teil des Ganzen. Ich habe unheim- lich viele gastronomische Trendreports ge- lesen und analysiert. Für mich selbst hatte ich fünf Trends ausgeschärft, die Teil mei- nes Beratungs-Business waren. Bis ich ei- nen Zukunftsforscher kennengelernt habe, der mir aufgezeigt hat, dass ein Trend Kraft Definition in der Soziologie, in der Zu- kunftsforschung, eine Halbwertzeit von ungefähr zehn Jahren hat. Das ergab total Sinn für mich, weil Menschen einfach sehr gerne an Gewohnheiten hängen und viele sich nur sehr, sehr langsam verändern.
Da habe ich realisiert, dass diese Trends von den Menschen aus der Gastro-Szene immer nur eine Momentaufnahme dar- stellten – mit einer Hype-Gültigkeit von zwölf Monaten. Wir sind allesamt viel zu kurz gesprungen.
Wenn ich Menschen berate, muss ich ih- nen ein Bild zeichnen können, was in der Zukunft passieren könnte. Ich rede mitt- lerweile nicht mehr über Trends, sondern über Entwicklungen. Ich habe zehn die- ser Entwicklungen als Statement für die nächsten zehn Jahre aufgezeichnet.
Als da wären ...?
Gesundheit, Ökologie, Professionalität, Technologie, Vertrauen ... Themenkom- plexe, die erst einmal sehr weit gefasst anmuten. Quasi als Gegenentwurf zum Trend „Algen“. Algen sind kein Trend. Algen sind Proteine, die in der Natur vorhanden sind und durch deren Verwendung in der Küche man die Themen Gesundheit und Ökologie zusammenführt.
Du erinnerst dich bestimmt an den Gour- metburger, der im Jahre 2015 zum Trend erklärt wurde. Das stimmt natürlich nicht, denn der Gourmetburger ist ein Produkt. Der Trend ist in diesem Fall etwas anderes – nämlich Handwerk, Liebe für Lebens- mittel, Leidenschaft für gute Zutaten. Das ist ein anderer Ansatz. Bei mir dreht sich alles um die Fragen:
Wie sind Menschen, welche Bedürfnisse haben sie? Und wie können wir das in un- sere Konzepte und Produkte übersetzen? Es gibt ja einen Grund dafür, warum Men- schen z.B. anfangen, plötzlich Einhorn- Produkte zu kaufen. Vor drei Jahren gab es Einhorn-Ritter-Sport, Einhorn-Shampoo, Einhorn-Haribo, Einhorn-Wurst ... da war alles Einhorn. Danach war alles Flamin- go. Wenn man jetzt einen Foodblogger gefragt hätte, der hätte das Einhorn als Trend ausgerufen. Wenn man mich fragen würde, würde ich sagen, es geht um Play ... um das Spielen, um Humor, darum, das Leben nicht so ernst zu nehmen.
Deshalb wäre es unklug für einen Döner- ladenbesitzer, sich Einhorn-Schokolade in die Auslage zu legen. Es geht darum, wie er das Thema Kindsein authentisch in sein Konzept einbauen kann. Man muss also hinter den Trend schauen.
Zwischengedanke: Ich stelle gerade fest, dass ich die Einhorn-Flamingo-Phase kom- plett verschlafen habe. Wahrscheinlich, weil es relativ wenig frische Produkte aus diesem Segment gab. Außerdem, welche Sauce passt zum Einhorn-Filet oder zum
10
 Rubrik




















































































   8   9   10   11   12